"Die friedliche Übergabe von Macht ist immer ein Grund zu feiern", sagte anlässlich der Inauguration Barack H. Obamas die Kommentatorin des zweiten deutschen Fernsehens. "Und was für eine Feier", ergänze ich aus einem sehr persönlichen Blickwinkel.
Amerikaner verstehen es wie kaum jemand anderer, eine glaubwürdige Show zu inszenieren. Sie zelebrieren das Pathos und es gelingt ihnen damit sogar zu vermitteln, dass sie es ehrlich meinen. Nur in den USA, sage ich, ist eine Inauguration wie die von Obama möglich. Nur dort füllen Millionen von Menschen schon Stunden vorher die Mall zwischen Kongress und Lincoln Memorial, um dabei zu sein. Amerikaner wissen um eine geschichtsträchtige Stunde und sie stehen dazu, habe ich den Eindruck. Dort kann Aretha Franklin mit einer riesigen, in der Kamera blinkenden Schleife auf ihrem Hut auftreten und authentisch wirken. "Aretha Franklin, die gerade zwei Millionen Menschen und einen Reporter des deutschen Fernsehen sehr glücklich gemacht hat", sagte der Kommentator des ZDF gleich nach ihrem Auftritt. Mit ihrer authentischen Inszenierung reißen sie mit, die Amerikaner.
Auch mich. Ich habe mich als Austauschstudentin in Amerika vom ersten Moment an so wohl gefühlt wie zu Hause. Mein Kulturschock fand statt, als ich mich entschied, wieder in Europa zu leben. Lange Zeit fand ich nicht heraus, was die Gründe dafür sein könnten. (Und die letzten acht Jahre amerikanischer Außenpolitik dachte ich nicht darüber nach.)
Heute weiß ich, dass eine meiner Meinung nach zutiefst amerikanische Eigenschaft dahinter steckt: Wie man mit Gegensätzen umgeht, dass man in sich und im Gespräch mit anderen ein Ziel über Gegensätze hinweg definieren und anpeilen kann, dass es Ziele und Werte gibt, die Gegensätze hinten an halten.
Obamas Inaugurationsrede ist meiner Meinung nach dafür auch ein gutes Beispiel: Sie lebt von Dichotomien, die er mit dem nächsten Satz wieder verbindet oder überwindet. Das ist kein idealistisches Wortgeplänkel, sondern die Anerkennung der Sachverhalte und der Blick darüber hinaus, verbunden mit einer Aufgabe an alle: alle Amerikaner und alle Weltbürger.
In einer Welt der Gegensätze mit realistischem Blick darüber hinaus zu schauen, das ist für mich eine sehr sympathische Eigenschaft - die fand ich in Amerika. Deshalb mein Heimatgefühl dort. Und deshalb ein Augenzwinkern an den Reporter, der sich von Aretha Franklin für alle hörbar hinreißen ließ - ich verstehe ihn gut.
Dienstag, 20. Januar 2009
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen